Als Trip in die Sechziger sehenswert

„Priscilla“ von Sofia Coppola

von Renate Wagner

Priscilla
USA 2023

Drehbuch, Produktion und Regie: Sofia Coppola
Mit: Cailee Spaeny, Jacob Elordi u.a.
 
Jahrelang kannte man sie nur als die schwarzhaarige Schönheit mit den riesig geschminkten Augen an der Seite von Elvis Presley. Später – lange nach der Scheidung und seinem Tod – geriet sie wieder einigermaßen ins Bewußtsein der Öffentlichkeit, als sie eine Karriere als Schauspielerin versuchte, die allerdings am Rande blieb.
Man kannte Priscilla als die Elvis-Gattin und vielleicht, später, als die kurzzeitige Schwiegermutter von Michael Jackson, der einer der zahlreichen Gatten ihrer einzigen Tochter Lisa Marie war. Ein wirklich eigenes Schicksal hatte sie wohl nicht.
Und das will Sofia Coppola nun in ihrem „Biopic“ über Priscilla Presley erzählen, wobei Feministinnen aufstöhnen werden. Aber zu Priscillas Zeiten (sie ist Jahrgang 1945) haben noch nicht alle Mädchen aufbegehrt. Da mögen es manche noch als ihr – nicht einmal so schlechtes – Glücksschicksal empfunden haben, von einem Star „erwählt“ worden zu sein. Auch wenn man nur die Funktion eines Püppchens hatte…
 
Wenn Sofia Coppola in diesem Film nach eigenem Drehbuch die Geschichte einer Unterwerfung erzählt, so kann sie sich auf Priscilla selbst stützen, die später – aus der Distanz reflektierend – 1985, mehr oder minder zu Beginn ihrer Filmkarriere, ihre Memoiren „ Elvis and Me“ veröffentlich hat. Ein Akt der (beschämten?) Selbsterkenntnis? Das wird man nicht beurteilen können.
Tatsache scheint jedoch, daß Sofia Coppola vor allem in hohem Maße daran interessiert war, die Elvis-Welt und die Sechziger Jahre zu schildern – und das ist ihr optisch-ästhetisch bemerkenswert geglückt. Man ist tatsächlich in einer unglaublich anderen Welt, gleich zu Beginn in Wiesbaden, wo Elvis bei den in Deutschland stationierten US-Truppen diente (das war exzellent für das Image des wilden Rockers, der hier den braven American Boy spielte), während Priscillas Stiefvater hier als ranghoher Offizier tätig war und seine ganze Familie mitgebracht hatte.
Coppola zeichnet Elvis ganz richtig immer inmitten einer Blase von jungen Männern, die von ihm schmarotzten, aber ihm auch immer als eine Art Hofstaat umgaben („Meet the guys!“). Als einer dieser jungen Männer offenbar ausgeschickt worden war, ein paar hübsche Mädchen für eine der Elvis-Parties einzuladen, fragte er auch die 14jährige Priscilla im Coffee Shop. Und so begann es, wenn auch zögerlich und holprig.
 
Warum Priscilla sich auf das Leben, das Elvis ihr zumutete, einließ, darauf hat Sofia Coppola, die diese Geschichte fast emotionslos abspult, keine Antwort – ebenso wenig wie sie am Ende begreiflich macht, daß Priscilla, die 1967 von Elvis geheiratet wurde, irgendwann 1973 mit ihrer kleinen Tochter ins Auto stieg und wegfuhr, wobei Sofia Coppola möglicherweise andeuten will, daß nun ein freies, selbstbestimmtes Leben begann.
Bis dahin erlebt man die heranwachsende Priscilla (dieser Prozeß von Teenie zur Kunstfrau gelingt der Darstellerin Cailee Spaeny vorzüglich) von einem nicht wirklich interessierten Elvis zu der Puppe geformt wird, die er sich vorstellt – mit der helmartigen Frisur, dem Augen-Make up, der Kleidung, die er für sie aussuchte (während er das, was sie haben wollte, strikt ablehnte).
Sie lebte schon vor der Hochzeit jahrelang mit ihm in seiner Kunstwelt, der Villa Graceland (die jeder Tourist in den US-Südstaaten wohl besucht hat, Museum mit Mausoleum), durfte in die Schule gehen, was sie nicht wollte, durfte aber nicht in einer Boutique arbeiten, was sie gerne gemacht hätte – sie mußte, das gab er ihr unmißverständlich zu verstehen, jede Minute ihres Lebens zu seiner Verfügung stehen. Auch wenn er, wie meist, verreist war – er könnte ja das Bedürfnis haben, mit ihr zu telefonieren…
Der Elvis, den Sofia Coppola in Gestalt von Jacob Elordi auf die Leinwand bringt, ist kein Preis. Man erlebt ihn nie als faszinierenden Glitzer-Superstar, stets als eher abgeschlafften, desinteressierten, müden Privatmann. Priscilla war zum Kuscheln da, weniger für Sex, da konnte er nur performen, wenn er ausreichend Pillen eingeworfen hatte. Die er auch Priscilla gab, die sie widerstandslos nahm – eine Welt der permanenten Drogen (die Presley ja auch mit gerade 42 Jahren den Tod brachte).
Und sonst? Nichts. Die jungen Männer, die immer herumhingen. Vor den Toren die wartenden Fans. Elvis selten da, Priscilla allein zu Haus, woran sich auch nach der Geburt der Tochter nichts änderte.
 
Es ist ein trauriges Psychogramm, das Sofia Coppola da zeichnet, als wollte sie alle einstigen Teenager-Wünsche, die sich auf Promis beziehen, mit der alten Weisheit „Geld allein mach nicht glücklich“ unterwandern. Mehr hatte Elvis nicht zu bieten. Was aus ihm den Weltstar machte, ahnt man hier ebenso wenig wie man sich in Priscillas unbegreifliche innere Lethargie hineinversetzen kann.
Was war das eigentlich zwischen den beiden? Die Antwort bleibt der Film schuldig, der eigentlich nur als Trip in die Sechziger sehenswert ist.
 
 
Renate Wagner